Energiemanagement der Segelyacht True Love
Zugegeben auf dem 20er Jollenkreuzer hatten wir ein sehr bescheidenes Energiemanagement.
Voran gebracht hat uns mit der Windspiel meist der Wind, die 5 Liter Benzingemisch für den Malta reichten meist über den Sommer. Elektrischen Strom an Bord gabs nicht. Die vorgekühlte Kühlbox musste übers Wochenende reichen. Das Bier wurde auf Kiehnwerder unter der Pumpe auf 9°C gekühlt.
Das ist auf der True Love etwas anders.
Hauptvortriebsart ist nach wie vor das Segeln. Das kostet keinen Cent Energieeinsatz.
Bei Flaute, Kanalfahrten, Anlegemanövern kommt der 40 PS Hilfsdiesel zum Einsatz. Der schlägt bei 2 Liter/Stunde Verbrauch mittlerweile also auch mit über 5 €/Betriebsstunde zu Buche.
Durch konsequentes Vermeiden unnötiger Motorstunden haben wir vom 8. Mai bis zum 10.Juni rund 600 Meilen zurückgelegt. Dabei waren die ersten 80 km Kanal von Göteborg nach Vänersborg am Vännern.
Verbraucht haben wir dabei 47 Liter Diesel, also etwa 23 Motorstunden.
Nebenbei wird mit Diesel auch die Heizung betrieben. Abgehärtet wie wir vom Jollenkreuzer sind, haben wir sie im Mai bisher nur einmal angeworfen
Weiterer fossiler Energieträger an Bord ist Gas. Zum Kochen.
Wir mögen Gas nicht. Auf dem Windspiel ist uns mal im Schwedenurlaub das Gas ausgegangen. Oh, einiges Europa und deine 100.000 verschiedenen Anschluss- und Flaschensysteme.
In 2021 war es unmöglich einen Gasprüfungstermin zu bekommen, jetzt 2022 im Mai wollte der Prüfer 120 € für 20
Minuten Arbeit.
Auf die Alternativen komme ich noch.
Und wir brauchen elektrischen Strom auf der True Love:
Kühlschrank, Beleuchtung, Navigationsinstrumente, Funk, Autopilot. Da kommt am Tag einiges zusammen an Elektroenergie. Wir haben das mal detailliert ermittelt.
Die Elektroenergie kam bisher aus 2 Akkumulatoren auf Bleibasis mit je 100 Ah. Das ist nicht soviel, zumal Bleiakkus bereits bei Entnahme von 20 % des Energieinhaltes dicke Backen machen.
Diese wurden mit Landstrom geladen, manchmal auch beim Motorfahren. Im Laufe eines langen Segeltages war dann auch schon mal Ebbe in den Akkus.
Also was tun?
Wer jetzt bei den nachfolgenden Beschreibungen einwendet, eure Umbauten haben doch auch Geld gekostet.
Ja sicher, aber erstens ist es Hobby und zweitens wird Geld auf der Bank täglich weniger wert.
Dass sich die Investitionen rechnen, davon gehen wir aus und werden berichten.
Dank aktueller Lithium-Akku-Technologie haben wir (mein Sohn Tim und ich) ein Konzept für ein elektroenergieautarkes Schiff entworfen.
Man kann seine theoretischen Elektroenergieverbräuche mit tollen Tabellen hin und her rechnen, die jetzige Erfahrung sagt, schlage nochmal 50 % drauf und du wirst über die Möglichkeiten staunen, die sich ergeben.
Wir haben jetzt 3 Stück 100 Ah Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Die wiegen zunächst mal zusammen soviel wie ein 100 Ah Bleiklotz.
Die Lithium-Akkus haben eine theoretische Entladetiefe von 80 %, d.h. es stehen bei 3 mal 100 Ah Akkus 240 Ah effektiv zur Verfügung. Bei Bleiakkus wären es vergleichbar nur 60 Ah. Trotzdem
müssen die Lithium-Akkus auch geladen werden.
Das geschieht auf 2 Wegen.
Die Planung
Im November 2021 haben wir ein Wochenende geplant und gerechnet. Heraus kam ein Schaltplan und eine Beschaffungsliste, die dann auch zügig im November 2021 bestellt wurde.
Im Wesentlichen:
3 Lithium-Eisenphosphat-Akkus á 100Ah
1 DCDC-Lader 60A umstellbar auf 30A, der den Ladestrom der Lichtmaschine auf eine lithiumakkuverträgliche Kennlinie transformiert.
2 MPPT-Regler für die Regelung des Sonnenstroms aus den Solarzellen
2 Solarzellen á 130W + 1 Zelle 100W, die schon in 2021 zum Einsatz kam
1 Batterieladegerät
Diverse Kabel, Klemmen, Sicherungsautomaten, Sicherungshalter
1 Biminitop für des Skippers empfindliche Haut, auf dem die beiden 130W-Zellen installiert werden sollten
Die Installation
Anfang April 2022 haben wir (unser Sohn Tim und ich) 4 Tage installiert. Fast alles hat auf Anhieb funktioniert. Zuguterletzt alles. Und es wurden nebenbei noch einige rottige Anschlüsse an der Lichtmaschine und Ankerwinsch gefunden und ordentlich verkabelt.
Dank an die Gebrüder Lange, Segelmacher in Ueckermünde. Das Bimini steht super. Und die Idee, die Solarzellen auf runden Segellatten zu montieren, die in Kletttaschen auf dem Bimini stecken sollten sie sich patentieren lassen.
Der Nachschlag
Eigentlich müsste rechnerisch soviel Strom aus Akkus und Nachschub von der Sonne da sein, dass man auf das Gas zum Kochen verzichten kann und mit Induktion kocht. Das haben wir in Häfen mit Landstrom schon länger so gehandhabt. Induktionsplatte und elektrischer Wasserkocher.
Also wurde noch ein Wechselrichter 2000W bestellt, der einen Tag vor der Abreise nach Ueckermünde eintraf. Den haben wir dann auch noch installiert. Mit dicken Kabeln 35 mm², da hier ja schon mal 180 A Strom fließen können.
Natürlich haben wir auch das 230 V-Bordnetz nochmal zusätzlich mit 2 mal 10 A auf beiden Phasen wechselstromseitig abgesichert. Das Bordnetz war ja ursprünglich nicht zum Backen und Kochen ausgelegt. Da wird im kommenden Winter nochmal neu verkabelt.
Die Erfahrungen des ersten Reisemonats
Wir haben sehr ausreichende Akkukapazität und Sonnenkollektorkapazität.
Gekocht wird zu über 90 % mit Strom auf dem Induktionsfeld.
Induktion ist das Kochfeld der Wahl, da die Platte selbst sich kaum erwärmt.
Den Gasherd haben wir jetzt nur beim Segeln benutzt, um einen Kaffee zu kochen, da das Induktionsfeld noch nicht mit Schlingerleisten ausgestattet ist.
Zum Brotbacken sowie für Brötchen, Pizza, Backkartoffeln u. v. a. mehr haben wir uns einen kleinen Backofen mit 800 W zugelegt.
Alles Backen und Kochen lief ausschließlich über die Bordelektrik.
Für ein Brot brauchts schon mal 60 Ah Batteriekapazität also 20 % des Vorrats. Aber was solls. An guten Tagen liefern die 3 Solarzellen schon mal 160 Ah Ladestrom.
Das Auslegen des Landstromkabels, früher die vordringliche Aufgabe nach dem Anlegen, noch vor dem Anlegetrunk, haben wir seit 3 Wochen nicht mehr gebraucht.
Da in einigen Häfen die Gebühren bei Stromanschluss pro Nacht mit 5 € separat berechnet werden, haben wir schon mal dadurch im ersten Monat wenigstens 50 € gespart. Leider ist der Strom noch vielfach inklusive. Finden wir persönlich jetzt doof.
Aber jetzt kommen bald die schwedischen Schärenbuchten, wo wir nach Herzenslust elektrisch Kochen und Backen können.
Wir sind energetisch autark.
Das wir das auch ernährungstechnisch sind, kommt noch im Brotblock.
Die Koch- und Backvision 2023
Es wäre jetzt schön, einen Bordherd zu haben, der ein Induktionsfeld mit einem kleinen Elektrobackofen kombiniert, kardanisch aufgehängt ist und eine Schlingerleiste für die Töpfe hat.
Uijuijui, hier ist die DDR-Angebotsmentalität wieder da: Ham wir nich, müssen sie immer mal wieder nachfragen, können wir ihnen nichts versprechen – das hatte ich schon verdrängt.
Die Schiffsausrüster sind kochtechnisch noch nicht im Lithium-Akku- und Solarzeitalter angekommen.
Aber die Konstruktion ist in Arbeit. Und mithilfe eines befreundeten Edelstahlbauers wird im Winter der Prototyp
eines kardanischen Schiffsherdes gebaut.
Der Gasherd fliegt raus. Dem Prüfer kündigen wir die Geschäftsbeziehung.
Der DCDC- Lader und die Starterbatterie
Hier müssen wir nochmal etwas einfügen.
Als Starterbatterie haben wir den 60 Ah Bleiakku behalten.
Da das neue Ladegerät für die Verbraucherakkus nur eine Kennlinie kann – also entweder Lithium oder Blei- haben wir für die Starterbatterie ein kleines Ladegerät von Bosch für 35 € aus dem KFZ-Bereich installiert. Es war im Nachgang eine glückliche Entscheidung, 2 separate Ladegeräte zu haben.
Bisher wurde die Starterbatterie auf 2 Wegen geladen.
Jetzt hat uns hier der DCDC-Lader einen Streich gespielt.
Dieser soll ja den Lichtmaschinenladestrom der über die Starterbatterie läuft in eine Kennlinie für LiFeP-AKKUS umwandeln.
Wenn die Lima im Standgas tuckert, liefert sie nur 10A Ladestrom. Der DCDC zieht aber konstant 30A aus der Starterbatterie.
So kam es auf dem Vännern, dass nach einer Woche dieser Praxis und je 6 mal An- und Ablegen, also 12 mal Motor kurz an, die Starterbatterie den Dienst einstellte. Tiefentladen. Dumm gelaufen.
Der Motor wurde mit einer Brücke gestartet und wir sind erst mal 2 Stunden gemotort. Also 6 € Dieselverbrauch für das Auffrischen der Batterie. Voll war sie noch nicht.
Über den irreversiblen Schaden, den die Starterbatterie genommen hat, gehen wir jetzt mal nicht weiter ein.
Wenn die Lima mit kleiner Marschfahrt läuft, liefert sie mindestens 47A Ladestrom, also ausreichend zum Laden der Starterbatterie und für den DCDC.
Also haben wir jetzt in 2023 einen Schalter in den D+ einschleift und schalten den DCDC nur zu, wenn der Motor längere Strecken mit ca. 1800U/min. läuft. Bisher war das kaum nötig, da der Sonnenstrom ausreichte die LiFeP-Akkus vollzuhalten.