Sommertörn True Love 08. Mai 2024 bis 22. September 2024

Oder, wenn der Blutweiderich verblüht ist, sollte man aus Skandinavien verschwunden sein

Wir, Irena und Reiner sowie die SY True Love ETAP39S
11,88 m lang, 2 m Tiefgang, haben für den Sommer 2024 einen Plan.

Nachdem wir die Ostsee 2022 linksrum über den Götakanal von West nach Ost und 2023 rechtsrum über Polen, Baltikum, die finnische Westküste, die Gelbe Tonne in Töre und die Schwedische Ostküste gesegelt sind, wollen wir Orte aufsuchen, die wir bisher nur gestreift haben.

Die Polnische Küste bis Danzig, Klaipeda und die Nehrung, Lettland mit der Rigaer Bucht, Estland mit diversen Inseln, die Finnische Küste Richtung Osten und ausgiebiges Erkunden des Turku-Archipels stehen auf dem Programm.

Dafür haben wir die Ausrüstung der True Love erweitert. Neue Fahrräder, neues Dinghi, aufblasbares Kajak.

Zu den Seekarten der Ostsee mit Baltikum und Finnland kommen noch der aktuelle Hafenführer Finnischer Meerbusen Band III und die Seekarte für die Estnische Nordküste dazu.

Zu „aktuellen“ Seekarten in Finnland und Estland sei angemerkt, dass man von Glück reden kann, wenn man eine nur 2 Jahre alte Karte im Laden erhält. Die finnischen Bootsausstatter haben ihr Papiersortiment drastisch reduziert.

Für die Wettervorhersage benutzen wir vorrangig windy in der Premiumversion. Die neuen Funktionen des Wetterroutings sind für längere Strecken eine feine Sache. Etwas Übung und man kann in wenigen Minuten verschiedene Törnszenarien aus der Navigationsapp zu windy übertragen und für die nächsten 48 Stunden durchspielen. Für das lokale Wetter verwenden wir auch gern den norwegischen Dienst yr.no.

Am 7. Mai lässt der Wind den Wasserstand im Yachtclub Ueckermünde drastisch fallen. Die Prognose des BSH sagt noch weitere 30 cm fallenden Pegel voraus. Wir reisen deshalb am 08.05.2024 in Richtung Swinemünde ab, bevor der Kiel komplett im Schlick versinkt.

Die neuen Segel stehen gut und bringen uns schnell voran. Unser Plan, entlang der Küste bis nach Danzig zu gelangen, geht 2024 wieder nicht auf. Im Mai gibt es die typische stabile Ostwindlage. Mindestens für 2 Wochen sollte diese anhalten. Auf dem Weg von Kolberg nach Rügenwalde (Darlowo) sind wir also kurzerhand nach Norden, also Bornholm, abgebogen.

Es geht weiter über Christiansö und den Kalmarsund nach Byxelkrog auf der Nordspitze von Öland.


Die wilde Landschaft Ölands entschädigt uns für die entgangenen Eindrücke an der polnischen Küste.

Am 13. Reisetag dreht der Wind auf Nordost, ein Zeitfenster von 24 Stunden um von der Nordspitze Ölands nach Klaipeda zu gelangen. Ein flotter 164 Meilen-Törn von 0600 bis 0600 und wir laufen ins Kurische Haff ein.

Der Manager des Old Castle Harbour begrüßte uns recht unfreundlich. Der zugewiesene Liegeplatz ist viel zu kurz für uns. Wir hätten den südlichen Hafenteil gesperrt. Und überhaupt, was wollt ihr drei Tage in Klaipeda.

Auf der anderen Seite der Nehrung in einer Meile Entfernung gibt es den Smeltynes Yachthafen. Hier sind Segler sehr willkommen. Der Bus nach Nidden fährt in 500 Meter Entfernung. Mit einer Fähre ist man in 10 Minuten in Klaipeda.

Die Nehrung nach Nidden zu besegeln haben wir uns verkniffen. Es stand ein ruppiger Ostwind auf die Häfen der Nehrung, die Fahrwasserbetonnung ist aufgrund der Sandbänke auch nicht immer auf dem aktuellen Stand. Auch der Hafenmeister von Smeltyne empfahl den Bus.

Hier kommen die neuen Bordfahrräder zum Einsatz. Mit dem Bus nach Nidden. Dünen bewandern, Thomas Manns Sommerhaus anschauen und dann 55 Kilometer mit dem Fahrrad zurück. Die Landschaft wechselt ständig. Uferpromenade, Sumpfwald, Sanddünen, Kormorankolonien im Wald und alles gut erschlossen mit Radwegen.

Leider gibt es nördlich Klaipeda keine litauische Hafeninfrastruktur mehr. Also geht es weiter nach Lettland.

Den Tag sollte man in Liepaja mit einem Eierkuchenfrühstück in Vejs Café beginnen.

Als wir diesen Bericht schreiben, schauen wir immer wieder in den Blog was an den jeweiligen Orten Besonderes war. An das Frühstück erinnern wir uns auch so.

Pavilosta – Paulshafen. 20. Mai. Hier waren wir im vergangenen Jahr schon mal.

Eine Wetterlage mit Null Wind bis Nordwind, Temperaturen wie im Juli sowie der freundlichste Hafenmeister der Ostsee bewegen uns einige Tage zu bleiben. Wir blasen das Kajak auf und sind einige Tage mit Kajak und Fahrrad in der Gegend unterwegs.

Täglich besuchen wir die Fischer, die 50 Meter hinter uns liegen und versorgen uns mit frischem Fisch.

Roja und Engure in der Rigaer Bucht bieten interessante Radwanderwege. Vor dem Einlaufen in Engure wird empfohlen, den Hafenmeister anzurufen. Der Hafen versandet ständig und vor dem Hafen ist ein Saugbagger im Einsatz. Der Hafenmeister gibt Auskunft über die Tiefen und wo der Bagger zu passieren ist.

Auch für Riga gibt es wieder eine Frühstücksempfehlung vor dem ausgiebigen Stadtrundgang. Street Fries Kitchen. Burger, Pancakes, fully English Breakfast und guter Kaffee. Alles sehr lecker.

 

Dann wechseln wir in der Rigaer Bucht nach Estland. Zunächst auf die Insel Kihnu.

Nahezu das gesamte Transportaufkommen auf der Insel wir mit alten Motorrädern abgewickelt.

Es ist eine wahrhaft entschleunigende Landschaft.

Beeindruckend war aber der Neubau der neuen Nordmole. Bei unserer Ankunft einige wenige Steine. Nach 2 Tagen und Nächten fast fertig. Das sind wir nicht mehr gewohnt. So etwas muss 2 Jahre dauern – bis es halbfertig ist.

Nach einem Besuch von Pärnu geht die Reise mit estnischen Inseln weiter.

Für gewöhnlich produzieren wir unsere Backwaren wie Brot, Brötchen und Kuchen in unserer Bordbäckerei. Näheres dazu im Brotblog unseres Reiseblogs.
Nach Muhu wollen wir aber unbedingt wegen des berühmten Muhu-Brotes. Ein sehr dunkles malziges Roggenvollkornbrot. Glücklicherweise verkauft die Bäckerei auch an Sonntagen frisches Brot und der Fischladen daneben hat auch geöffnet.

Das Brot ist überzeugend und war die Reise nach Muhu wert.

Wir umrunden die Insel Hiuma. Besuchen dabei alle drei historischen Leuchttürme und die Bunker aus der Zeit der russischen Besatzung. Berührend ist an der Nordspitze von Hiuma das Denkmal für die Kinder, die beim Untergang der Estonia ums Leben kamen.

Was fällt an estnischen Häfen auf? Es sind die bestausgestatteten und saubersten Häfen im Ostseeraum. Meist mit Sauna.

Nach Dirhami, wo wir Mittsommer feiern geht es über Tallinn nach Helsinki. Also fast wie in 2023.

Von Helsinki wollen wir weiter nach Osten bis an die russische Grenze. Ein Finne gibt uns einige Tipps zu Buchten und Naturhäfen.

Schären segeln wir seit 1998. Wir planen den Törn zwischen den Felsen jeweils auf den Papierkarten, da die Apps auf Plotter und Tablet in der Übersichtsdarstellung zu wenig auflösen. Die Pilotage für den Törn wird in ein A5-Buch übertragen und dann werden die Wegepunkte auf dem Plotter gespeichert. Für Buchten und Naturhäfen werden Buchtenführer wie der Hamnguide, die Finnischen Hafenführer I bis III oder weitere Detaildarstellungen genutzt. Beim Segeln werden die Wegepunkte in der Pilotage abgehakt. Ein Verfahren welches sich bisher bewährte.

 

Am 10. Juli passiert es dann trotzdem.

Rrrumms. Die Handbreit fehlte. Fahrfehler des Skippers beim Einlaufen in den Naturhafen von Ulko Nuoko. Das Flach auf der Ostseite der Einfahrt ist sowohl in Navionics als auch im finnischen Handbuch III eingezeichnet und 200 Meter von der Inselspitze nach Süden auslaufend.  Fatal. In der Bucht waren wir schon mal. Beim ersten Mal kamen wir von Südwest, dort ist alles tief. Diesmal kamen wir von Südost.

Wir standen etwa 180 Meter von der Südspitze der Insel auf 1,80 Meter Wassertiefe auf karelischem Granit. Erst mal bewegt sich gar nichts. Auf drei Pan Pan-Rufe gab es keine Antwort. Die Lotung am Heck ergab 4 Meter Wassertiefe. Der jetzt aufkommende auflandige Wind hätte uns im dümmsten Fall weiter auf den Felsen geschubst.

Also einmal kräftig Rückwärtsschub und die 40 PS ziehen uns ins Tiefe. Kontrolle der Kielbolzen und der Bilge. Alles fest aber ein Schwamm voll Wasser im Bereich der mittleren Kielbolzen.

Wir dümpeln mit kleiner Fahrt vor dem Naturhafen und wägen unsere Optionen ab.

Auf alle Fälle das Boot rausheben und den Schaden begutachten. Kann man so weiterfahren bis Deutschland oder ist das Risiko zu hoch.

Zuerst Anruf beim Versicherer. Die kennen mitunter die Werften in der Nähe. In diesem Fall nicht.

Eine Internetrecherche ergibt in 12 Meilen Entfernung in Kotka eine Yachtwerft mit einem großen Portalkran. Beim Anruf ist ein sehr gut deutschsprechender Finne am Telefon. Wir machen das in Finnland notwendige Routing nach Kotka und legen zwei Stunden später am Servicesteg vom Kotka Yacht Store an.

Am nächsten Tag wird gekrant. Ein Schiffbauingenieur wird zur Begutachtung hinzugezogen.

Der Kiel wackelt 10 Zentimeter. Das Laminat ist auf der Steuerbordseite des Kiels auf einer längeren Strecke gebrochen. So fahren wir nicht weiter.

In Kotka sind Sommerferien. Auch die Bootsbauer sind alle im Urlaub. 12 Tage nach dem Crash beginnen die Arbeiten, nachdem die Versicherung das Angebot der Werft abgesegnet hat.

Wir bleiben in Kotka und arbeiten auf der Werft mit. Ansonsten wäre die Deadline, bis Ende August in Kotka abzureisen nicht zu halten.

Der Werftchef Aleksei ist sehr zuvorkommend. Der zweite Chef Heikki versucht zu organisieren was möglich ist. Die Bootsbauer kommen aus dem Urlaub zurück. Sie schleifen und laminieren wie die Weltmeister und verstehen ihr Geschäft. Wir übernehmen Nebentätigkeiten wie das Trennen des Kiels vom Boot, Reinigen der Ansatzstelle und der Bolzen am Kiel, Zuschneiden der Glasfasermatten nach Laminatplan. Wir sind ein tolles Team und die Deadline wird nahezu gehalten. Nur mit dem Painter, der das Unterwasserschiff wieder versiegeln und mit Antifouling versehen muss gibt es etwas Stress. Er hält sich nicht an Absprachen. Aber mich hätte fast mehr erschüttert, wenn es auf der Baustelle völlig reibungslos abgelaufen wäre.

6 Wochen nach dem Crash schwimmt True Love wieder.

Und was hat es jetzt mit dem Blutweiderich auf sich?

Wenn an der Blütendolde des Blutweiderich die letzten Blüten aufgehen ist es Herbst. Und das ist in Finnland schon mal 6 bis 8 Wochen früher als in Deutschland. Es wird also Zeit in Kotka zu verschwinden.

Da wir zügig segeln wollen mit längeren Schlägen und wenig Erholung zwischendrin stocken wir unsere Zweiercrew auf. Brigitte aus Laboe begleitet uns von Kotka bis Stockholm.

Die Rückreise mit 865 NM spulen wir recht fix ab. Kein Sightseeing, nur noch Strecke machen. Der Wind spielt zum Glück weitestgehend mit.


 Am 22.09.2024 sind wir wieder im Ausgangshafen Ueckermünde.

 

Geloggt wurden 2.160 NM.

 

Wir hatten nicht immer die Handbreit Wasser unterm Kiel. Wenn wir das also in Zukunft Seglern wünschen kommt es aus tiefstem Herzen.